DUB’L G – Das Nähere regelt ein Bundesgesetz

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Beschreibung

Es liegt Sprengkraft im Grundgesetz…

Darf man das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland als Rohmaterial für musikalische Experimente deklarieren und in Disco-taugliche Sound-Texturen übersetzen? Darf man so frei sein, es in eine Pop-CD umzustricken? Verfassungsschützer werden schon von Berufs wegen Einspruch gegen das CD-Projekt „Dub’l G“ erheben. Aus ihrer Sicht gibt es einen guten Grund, dass in das wichtigste Regelwerk des Rechtsstaats eine Sperrvorrichtung gegen Veränderung eingebaut wurde. Die Erfahrung der NS-Zeit hat den Parlamentarischen Rat 1949 dazu bewogen, einer kreativen Umarbeitung den Riegel der 2/3-Mehrheit vorzuschieben. Dennoch sehen es Künstler, die für Internationalität, Interkulturalität und Toleranz eintreten, als ihre Aufgabe, die Gegenwarts-Tauglichkeit des Grundgesetzes immer wieder zu hinterfragen. Schließlich wäre es fatal, wenn das Denken in grundlegenden und radikalen Kategorien den neu erstarkenden Nationalkonservativen und Neo-Faschisten überlassen bliebe. Rechts von der Mitte wird derzeit intensiv an der Demotage speziell jener elementaren Artikel gearbeitet, die Minderheiten schützen und Privatsphäre und Individualität garantieren.
M. Arfmann, der Produzent von Jan Delay und den Absoluten Beginnern, hat für das Label Yeotone sechs Artikel des Grundgesetzes durch sein Mischpult gejagt. Ausgangspunkt für seine Lounge- und Disco-Adaption des Diskriminierungsverbots, des Artikels 12a, der die Wehrpflicht definiert, und seiner vier weiteren Tracks, bildete die Jazz-Komposition „Recht harmonisch“ des Trios Thomas Bierling, Peter Lehel und Eva Weis.

Doppel-CD mit der Originalaufnahme von „Recht harmonisch“.

„Recht harmonisch“ ist die musikalische Umsetzung der 19 Grundrechte des Grundgesetzes. Die weltweit erste Vertonung eines Gesetzestextes hat Anfang 2005 ein gewaltiges Medienecho ausgelöst. Nach der erfolgreichen Uraufführung liegt das Werk nun auf CD vor. Dabei handelt es sich bei nicht nur um eine musikalisch außergewöhnliche Komposition, sondern auch um ein dramatisches Bekenntnis zu den Grundwerten einer menschlichen Gesellschaft. Das künstlerische Konzept und die Komposition entwickelte der Karlsruher Komponist und Pianist Thomas Bierling. Jeder der 19 Artikel zeichnet sich durch eine eigene Stimmung und Tonsprache jenseits der klassischen Harmonik aus. Dabei finden sich unter anderem Elemente aus der Minimal Music, ungewöhnliche Skalen und reduzierte Tonräume oder auch freie und atonale Passagen an der Grenze zwischen Neuer Musik und Freejazz. Der von Eva Weis gestaltete Vokal-Part trifft eine kritische Auswahl des Textmaterials, um besonders bedeutsame oder hinterfragenswerte Passagen zu kommentieren. Abhängig von der musikalischen Grundstimmung des jeweiligen Artikels reicht die vokale Interpretation von ausdrucksstarker Rezitation über Reminiszenzen an klassische und Jazz-Gesangstechniken bis hin zu lautmalerischer und dadaistischer Vokalartistik. Der Jazz-Preisträger Peter Lehel war von dem experimentellen Konzept spontan begeistert und steuert mit Tenorsaxophon, Sopransaxophon, Bassklarinette und Tarogato einen klangfarbenreichen Part bei, der sich durch ein expressives Wechselspiel mit dem Text auszeichnet. Für die offizielle CD-Präsentation hatten sich die Künstler einen ungewöhnlichen und geschichtsträchtigen Ort ausgesucht – die Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim, wo das Werk am 23. Mai, dem Verfassungstag, für die Inhaftierten aufgeführt wurde.