Beschreibung
Arien und Duette von Strauss bis heute
Die aufwändige Produktion widmet sich einem oft vernachlässigten Genre, denn wer die Operette ob ihrer meist vordergründig erscheinenden amüsanten Handlung als die kleine Schwester der Oper schmäht, der verkennt die tieferen Bedeutungsebenen, die sich oft erst in Kenntnis des historischen Kontextes als gekonnte zeitkritische (und zeitlose) Gesellschaftssatiren offenbaren, die in geradezu kabarettistischem Gewand daherkommen.
Doch leider wurde die Operette im Laufe der Zeit zu einem harmlosen Vorläufer wein- und heimatseliger Musikantenstadl-Unterhaltung umgedeutet. Kein Wunder, daß Hochkultur und Kritik die Operette als Bastion spießig-reaktionärer Heiler-Welt-Romantik brandmarkten und rechts liegen ließen.
Verständlich zwar, aber ihr habt euch geirrt! Operette ist subversiv. Operette ist politisch. Operette ist erotisch. Operette ist geil!
Aber nur, wenn man damit umzugehen versteht. Wenn man es schafft, den Ballast der vermeintlichen Tradition mutig über Bord zu werfen. Wenn man sich auf die wahren Wurzeln des Genres zurückbesinnt.
Und genau das ist Manfred Müssauer mit der Donau Philharmonie Wien gelungen: Schlanke, transparente Interpretationen, von überflüssigen und störenden Schnörkeln befreit, bar jeglichen Kitsches. Dafür aber pralle Musikalität mit echten, oft doppelbödigen Gefühlen fernab jeder aufgesetzten Sentimentalität.
Die beiden Solisten Gabrielle Heidelberger und Armin Kolarczyk erweisen sich geradezu als Idealbesetzung für dieses Vorhaben. Bei diesen Aufnahmen haben wir es mit dem seltenen Glücksfall zu tun, daß sich Gesangskunst höchsten Niveaus paart mit einer einzigartigen Ausdrucksfähigkeit und Sprachverständlichkeit; mit Witz, Esprit und schlitzohrigem Komödiantentum; mit Erotik und Romantik, aber nie ohne ein Augenzwinkern im rechten Moment. Oft möchte man lachen und weinen zugleich, aber nie kann man teilnahmslos bleiben.
Auf der CD finden sich viele der bekanntesten Arien und Duette der großen Operettenmeister wieder – Stücke von Strauss, Lehár, Kálmán, Millöcker, Zeller, Fall und Stolz, aber auch einige eher selten gespielte Perlen des Genres.
Kann man im 21. Jahrhundert noch eine Operette schreiben? Man kann nicht, man muss! Das meinen jedenfalls Thomas Bierling und Konstantin Schmidt, die zur Zeit an einer Operette über die badische Großherzogin Stéphanie de Beauharnais arbeiten, die als Adoptivtochter Napoleons mit dem badischen Herrscher verheiratet wurde und, wenn die Gerüchte denn stimmten, die Mutter des Kaspar Hauser wäre. Ein Duett dieser in Entstehung befindlichen Operette ist hier bereits aufgenommen worden. Denn in welcher anderen Kunstform als der Operette kann man solchen Vorgängen gerecht werden, die auch zweihundert Jahre später noch die Menschheit beschäftigen?